So Gott der Herr die Gnade gibt, will ich die eben
gehörte Stelle aus dem Evangelium euch erklären.
Mein Hauptgedanke soll dabei sein, euch zu mahnen,
bei den Stürmen und Prüfungen dieses Lebens
euern Glauben in euern Herzen nicht einschlafen
zu lassen. Christus ist nicht wirklich der Herr über
den Tod gewesen, er hat nicht über den Schlaf
befehlen können und vielleicht hat der Schlaf ihn
gegen seinen Willen auf der Fahrt übertallen, s o
könnte vielleicht mancher denken. Wenn
der gestalt euer Glaube beschaffen ist, schläft er in
euch. Wenn aber Christus i n euch wacht, ist auch
euer Glaube lebendig. Wie ja auch der Apostel
sagt: „Christus soll durch den Glauben in eueren
Herzen wohnen." (Eph. 3,17.) Der Schlaf Christi
ist also ein Zeichen voll geheimnisvoller Bedeu-
tung. Die Seelen durchfahren auf schwankendem
Holz das Meer dieses Lebens. Das Schifflein ver-
sinnbildet die Kirche. Und jeder einzelne, als Hei-
ligtum Gottes, muß in seinem Herzen die Seefahrt
bestehen: er wird dann nicht Schiffbruch leiden,
wenn seine Gedanken gut sind.


Wir haben eine Beleidigung erlitten, der Wind er-
hebt sich; Zorn erfaßt uns, der Sturm ist los-
gebrochen. Hat aber der Sturm sich erhoben,
tosen auch bald die Wasser, das Schiff kommt in
Gefahr, unser Herz gerät in Gefahr, es wird hin
und her geworfen. Für die erlittene Beleidigung
will man sich rächen, und man hat sich vielleicht
auch gerächt. Indem wir aber dieser Leidenschaft
nachgegeben haben, haben wir auch zugleich Schiff-
bruch erlitten. Wie kam e s dazu? Weil Christus
in uns geschlafen hat. Was heißt das, Christus hat
in uns geschlafen? Wir haben Christus vergessen!
Rufen wir also Christus an, erinnern wir uns seiner,
denken wir a n ihn, und er wird i n uns aufwachen.
Was hatten wir vor? Wir wollten uns rächen. Ver-
gessen hatten wir, daß Christus, da er zum Kreuzes-
tod geführt wurde, gesagt hatte: „Vater verzeihe
ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun." (Lk. 23,
34.) Er, der i n unserm Herzen schlief, wollte sich
nicht rächen. Rufen wir ihn also an, denken wir
an ihn. Sein Wort weckt in uns die Erinnerung,
sein Befehl weckt in uns die Erinnerung. Wenn
Christus i n uns wacht, werden wir zu uns sagen:


Was für ein armseliger Mensch bin ich, daß ich
mich rächen will! Wer bin ich, daß ich gegen
einen Mitmenschen i n Verwünschungen ausbreche!
Lieber will ich sterben, ehe ich mich räche! Wenn
ich von Zorn entzündet, nach Rache dürstend, aus
dem Leben scheide, wird der mich nicht aufnehmen,
der sich selbst nicht rächen wollte, er, der gesagt
hat: „Gebet, s o wird euch gegeben werden, ver-
gebt, so wird euch vergeben werden." (Lk. 37, 38.)
Unterdrücken wir also unsern Zorn, schenken wir
unserm Herzen wieder die Ruhe! Christus befahl
dem Meere und e s wurde eine große Stille!
Was ich aber jetzt über den Zorn gesagt habe,
das trifft auf alle Leidenschaften zu. Die Leiden-
schait beginnt sich zu regen, der Wind erhebt
sich; sie nimmt an Stärke zu, der Sturm ist da.
Rufe Christus an, e r möge mit dir reden. Wer ist
dieser, daß ihm auch die Winde und das Meer ge-
horchen?" Wer ist dieser, dem das Meer unter-
tan ist? camacht. Und 4,5.) At les dir h dasselbe des
Wort) gemacht worden." (Joh. 1, 3.)

Ahmen wir die Winde und das Meer nach! Gehorchen wir
unserm Schöpfer! Dem Befehle Christi gehorcht
das Meer und wir wollen taub sein? Das Meer
gehorcht, der Wind legt sich und wir wollen weiter
toben? Nein, keine Entschuldigung! Denn so ist es
doch, wenn wir dem Worte Christi nicht gehorchen
wollen. Die Flut soll in unsern tosenden Herzen
nicht über uns zusammenschlagen! Aber wir sind
und bleiben Menschen. Wenn der Wind zum
Sturm in uns sich steigert, wenn die Seele von
ihm hin und her geworfen wird, verzweifeln sollen
wir auch dann nicht: Christum wollen wir an-
rufen. Er wird das Schiff in ruhige Wasser ge-
leiten, er wird uns zum Vaterland gelangen lassen